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„Come together“

- Ein Nachruf auf Denis Goldberg -

Zwei Bemerkungen vorab:

Unsere Gesamtschule trägt seit 1994 den Namen Bertha-von-Suttner. Sie regte Alfred Nobel zur Vergabe des Friedensnobelpreises an, den sie dann 1905 als erste Frau erhielt. In unserem Schulprogramm heißt es, dass sie „sich zeitlebens für folgende Ziele eingesetzt (hat), an denen sich auch die Arbeit unserer Schule (…) orientiert:

  • Friedliches Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Kulturen
  • Friedliche Schlichtung internationaler Konflikte
  • Soziale Gerechtigkeit und Gleichheit der Lebenschancen
  • Emanzipation der Frau und Gleichberechtigung der Geschlechter
  • Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte.“

Als die Schüler*innenvertretung (SV)  im Jahr 2002 den ersten Sponsorenlauf startete und dafür T-Shirts in Umlauf brachte, trugen selbige das Motto „All equal – all different“: Bei aller Unterschiedlichkeit sind doch alle gleich(berechtigt). Dieser Slogan schien uns das Leitbild unseres schulischen Lebens am besten nach außen zu tragen.

An dieser Stelle kommt Denis Goldberg ins Spiel.

Als wir, die SV für die Schule, uns für das Schulnetzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage bewerben wollten, benötigten wir auch eine Persönlichkeit, die uns als Projekt-Pate zur Seite stehen konnte. Unsere Wahl fiel schnell auf Denis Goldberg, den südafrikanischen Bürgerrechtler. Er war seit dem Jahr 2004 insgesamt 13 Mal als Gast in Siegen und mindestens 11 Mal an unserer Schule. Auch zu besonderen Ereignissen besuchte er unsere Schule, so im Jahr 2008, als der Literaturkurs des Jahrgangs 12 mit dem Musical-Projekt An African Youth Story im Lyz Premiere hatte; er berichtete in seinen Vorträgen aus seinem Leben, über seinen Kampf für Freiheit und Demokratie und gegen jede Form von Rassismus. - In einem Statement zweier Freunde  wird Denis Goldberg als ein Mensch beschrieben, der „authentisch war und dem man fasziniert und begeistert zuhören konnte (…), der ein nahbarer Mensch mit einer hohen Integrität (war), der mit großer Ernsthaftigkeit, aber auch mit einem unverwechselbaren Humor seine Zuhörenden in seinen Bann ziehen konnte.“

Ich glaube, dass am vorhergehenden Zitat das Stichwort Authentizität das entscheidende ist. Als Sohn von Einwanderern im Jahr 1933, bereits in das Apartheidsystem Südafrikas hineingeboren, wurde er zum wohl prominentesten weißen Gegner dieses rassistischen Unterdrückungsregimes. Zunächst Unterstützer, wurde er später dann Mitglied des bewaffneten Arms des African National Congress (ANC), dessen bedeutendster Kopf Nelson Mandela war. Mit ihm und weiteren schwarzen Mitangeklagten wurde Denis Goldberg 1963 wegen Hochverrats und Sabotage zu viermal lebenslanger Haft verurteilt. 22 Jahre später wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen. Danach ging er nach London ins Exil zu seiner Familie, wo er in der dortigen Zweigstelle des ANC arbeitete. Erst im Jahr 2002 kehrte Denis Goldberg dauerhaft nach Südafrika zurück. Für seine Verdienste um die Völkerverständigung erhielt er 2011 das Bundesverdienstkreuz.

Denis Goldberg gab „weiße“ Privilegien auf, um für die Rechte der in Südafrika unterdrückten schwarzen Bevölkerungsmehrheit einzutreten. Er wollte ein Unrechtssystem bekämpfen, nicht die Menschen, die es verkörpern. Für ihn wog die Freiheit aller mehr als die Freiheit jedes Einzelnen.

Bei seinem letzten Besuch bei uns an der Schule (2016) spielte im Rahmenprogramm seines Vortrags eine Band, es sang ein Chor. Nach der Veranstaltung kam Denis Goldberg auf mich zu und fragte, ob er sich für seinen nächsten Besuch bei uns ein Lied wünschen dürfe: „Come together“ von den Beatles. Nach allem, was ich über Denis Goldberg gelesen, was ich von ihm gehört habe, ist das „Zusammenkommen“, das Solidarische, das Bemühen darum, ein roter Faden, der sich durch sein Leben gezogen hat – eine Herzensangelegenheit.

Die letzten Worte aus seinem letzten Interview, das er am 11.2.2020 der Deutschen Welle gegeben hat, klingen wie ein Vermächtnis: „Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich nie wiederholt. Wir müssen Verantwortung dafür übernehmen solange wir können. Lasst uns die Sachen gemeinsam anpacken, v.a. die jungen Leute.“

Dass die Jugend ihm besonders am Herzen lag, macht v.a. auch die Gründung seiner Denis Goldberg Stiftung deutlich: Es geht um die Schaffung einer zusammenhaltenden, nicht rassistischen und vorurteilsfreien Gemeinschaft, um die Entwicklung der Potentiale der Jugendlichen seines Wohnortes Hout Bay und um die Förderung von Kreativität in den Bereichen Kunst und Musik. So war die Kronendal Musik Akademie im Jahr 2012 zu Gast an unserer Schule und hat mit Musiker*innen unserer Schule Workshops veranstaltet und ein Konzert gegeben. Denis Goldberg: „Ich bin noch nicht fertig! Meine Hoffnung ist, mit dem Kunst- und Kulturzentrum in Hout Bay, wo ich lebe, einen Schlussstein meines Lebens zu setzen. Wir möchten Menschen auf all ihren Lebenswegen zusammenbringen, um all unsere Talente und unsere gemeinsame Humanität zu entwickeln, um wirklich die spaltende und grausame Geschichte der unmenschlichen Apartheid zu überwinden.“

Denis Goldberg starb am 29. April 2020 in Hout Bay.