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Der Besuch der Zeitzeugin Frau Dr. Michaela Vidláková

Wir müssen die Geschichten weitergeben, aber wir müssen auch etwas tun!

Mit diesem Appell als Motto ihres Vortrages besuchte Frau Dr. Michaela Vidláková zum zweiten Mal unsere Schule. Schülerinnen und Schüler von der achten Klasse bis zur Oberstufe, Lehrerinnen und Lehrer und ein Pressevertreter versammelten sich am 22.01.2020 in der Aula, um Frau Vidlákovás Geschichte zu hören. Der Dezernent der Schule, Herr Andreas Kremer, nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil.

Die in Prag 1936 geborene Tschechin wurde mit sechs Jahren nach Theresienstadt deportiert und mit achteinhalb Jahren von dort befreit. Frau Vidláková berichtete von dem Programm der Nationalsozialisten: der Beseitigung der Niederlage des ersten Weltkriegs, der Erweiterung des Lebensraumes der Deutschen und von der Endlösung.

Hitlers Begründung war, dass die Juden Schuld gewesen sein sollen, dass der Krieg verloren wurde. Seine sogenannte Endlösung bestand dann aus drei Teilen: Ausgrenzung, Verfolgung und Deportation.

Sie begann 1933 mit der Ausgrenzung. Weiter ging es 1935 mit den Nürnberger Gesetzen, 1938 mit der Reichspogromnacht und dem Münchener Abkommen. 1939 fand dann die Besetzung Tschechiens statt. Antijüdische Maßnahmen, die auch die Familie Vidláková betrafen, wurden vollzogen. Bestehend aus: Ausgrenzung, Enteignung, Eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten, dem Verbot der Nutzung öffentlicher Dienste, Nachtsperren etc. Ihr Vater, der Pelzfabrikant war, musste durch die neuen nur eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten in einer Schreinerei arbeiten, was ihnen aber später das Leben rettete.

1941 wurde die Familie dann in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Als sie ankamen, wurde ein Zug mit Juden, die Berufe hatten, die nicht gebraucht wurden, weiter in ein Konzentrationslager geleitet. Dem entkam die Familie, da der Vater angeben konnte, Handwerker zu sein, und diese dringend gebraucht wurden. In Theresienstadt wurden hauptsächlich Kisten für Munition der Wehrmacht und Planken für den Barackenbau gefertigt. Weiter erzählte uns Frau Vidláková von der Situation vor Ort. Es war überfüllt, überall waren Wanzen und Käfer. Sie wurde krank und kam in das Krankenhaus, in dem sie spartanisch versorgt wurde. In dieser Zeit lernte sie Deutsch, von einem Jungen, den sie wie ihren Bruder betrachtete.

1944 begann der Rückzug der Wehrmacht aus Theresienstadt. Die übriggebliebenen Männer sollten in einem letzten Zug in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert werden. Ein Sturm wütete aber und zerstörte das Dach einer Baracke. Der Vater meldete sich, dieses zu reparieren. Damit entkam er dem letzten Zug und sie wurden nicht lange Zeit später befreit.

Nach ihrem packenden Vortrag über ihre Geschichte war der ganze Saal erschüttert. Man kennt aus dem Geschichtsunterricht die Geschichte Deutschlands zu dieser Zeit, aber Erlebnisse direkt von einer Zeitzeugin zu hören, hat eine ganz andere Wirkung.

In der folgenden Fragerunde wurden somit mit Bedacht ausgewählte Fragen gestellt. Wichtige Momente Vidlákovás waren z.B. die Zeit, die sie in Trennung von ihren Eltern im Kinderheim Theresienstadts gelebt hat, oder in die Augen alter, kraftloser Menschen schauen zu müssen, die dem Kind ihr Essen geben wollten. Daraus zog sie, wie sie erläuterte, Kraft. Es waren Menschen, wie die Erzieher im Kinderheim, die sich um einen kümmerten, was ihr Hoffnung gab. Zudem sprach sie an, dass die Moral nicht verloren gehen darf. Somit könnte man es schaffen, aus der jeweiligen Situation zu lernen und mit ihr umzugehen.

Zum Schluss der Fragerunde formulierte Frau Vidláková, dass jeder etwas tun könne, um so etwas zu verhindern. Aber alleine das Erinnern reiche nicht. Jeder könne etwas gegen Hass jeglicher Art von seinem Platz in der Gesellschaft tun. Man darf nicht weggucken, egal wie groß das Übel ist, denn auch die NSDAP hat mit wenig angefangen und es wurde weggeguckt. Man solle ansprechen, aufklären, argumentieren gegen jeglichen Hass. Somit endete Frau Vidláková ihren Vortrag, wie sie ihn angefangen hatte und hinterließ ein ergriffenes, nachdenkliches Publikum.

Wir müssen die Geschichten weitergeben, aber wir müssen auch etwas tun!

Text: Adrian Serban, Jahrgangsstufe 12

Fotos: Hans-Jürgen Möller